Schock und Trauer

 

Es ist zehn Uhr Nacht und ich verdaue gerade mein erstes Mahl am heutigen Tag. Ich stehe noch immer unter Schock, einem heftigen Schock. Meine Gedanken halten mich trotz übermächtiger Müdigkeit vom Schlafen ab. Der Knoten in meinem Bauch ist nicht geschrumpft seit ich die nicht für möglich gehaltene, doch beim Overland-Reisen immer irgendwie präsente, Nachricht erhielt.

 

Wir warten gerade auf unser Essen nach der fünf Stunden Fahrt von Shimsal zurück nach Pasu. Der höchst anspruchsvolle Weg hat uns alle geschlaucht und gemeinsam mit Tachna, Michiel und Mark freuen wir uns auf das erste Essen am heutigen Tag, als Harald uns die unmögliche Nachricht überbringt. Mit Tränen in den Augen erfahren wir von dem Unfall der sich gerade mal vor einer Stunde ereignet hat. "Keine Verletzten, Erwachsene und Kinder sind OK"

 

Ohne Worte

 

Ich bin der erste der die Abzweigung zum Borit-See erreicht. Ich steuere direkt auf Luka zu und umarme den unter Schock stehenden, italienischen Familienvater. 

 

Später fahre ich mit Sameena, Mark und Michel zur Unfallstelle an der steilen Piste die zum Borit-See führt. Mir stockt der Atem, auch jetzt wenn ich an die Unfallstelle denke. Der Knoten im Bauch zieht sich weiter zusammen. 

 

Der orange 9 Tonnen-Fiat-Latswagen liegt umgekippt am Hang. Die Strasse ist einfach weggerutscht und hat den Lastwagen samt Luka mitgerissen. Gott sei Dank konnten die zwei Kinder und Ehefrau noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden.

 

Ich steige mit Sameena ins innere und rette was zu retten ist. Eine unbändige Trauer überfällt mich, doch ich kann nur erahnen wie sich Sameena gerade fühlen muss. 15 Jahre kommen in diesem Familien-Truck zusammen und nun, so scheint es, ist alles verloren.

 

Was nun?

 

Das ist die Frage. Wir werden sehen. Morgen versuchen wir die ersten Bergungsarbeiten voran zu treiben. In zwei Tagen müssten wir die Grenze nach China queren. Unmöglich. Wir werden sehen. Ich suche nun etwas Schlaf... ob ich ihn finden werde... wir werden sehen.